Seit gut einer Woche habe ich nun die beiden Varianten des neuen iPhone 6 zum Testen und komme jetzt endlich auch dazu, meine persönlichen Eindrücke und Empfehlungen aufzuschreiben. Ausführliche Testberichte gab es ja genug allein schon von den handverlesenen Kollegen, denen Apples PR bereits vor dem Verkaufsstart Geräte in die Finger gibt. Ich will auch gar nicht erst versuchen, hier einen kompetenten Rundumschlag à la „Ars Technica“ abzuliefern, sondern mich auf das aus meiner beschränkten Sicht Wesentliche beschränken.
Als mir ein freundlicher Herr von Apple aus London am Freitag vorletzter Woche eine halbe Stunde lang Auszüge aus dem Reviewer’s Guide vortrug, lag auf dem Tisch vor mir sorgfältigst arrangiert und frisch mikrofaserpoliert ungefähr ein Dutzend iPhone 6 und iPhone 6 Plus. Was mir sofort ins Auge stach waren deren Displays. Die sahen tatsächlich so (gut wohlgemerkt) aus, als wären sie durch bedruckte Kunststofffolie ersetzt worden so wie bei Geräte-Attrappen, die Händler für ihre Auslagen ihrer Schaufenster bekommen. Klar, da war natürlich die Helligkeit voll aufgezogen – und in dem Raum für die Produktpräsentationen herrschen perfekte Lichtverhältnisse, alles schön indirekt beleuchtet ohne störende Spiegelungen und so weiter. Trotzdem: Der Bildschirm ist für mich klar eines der Highlights beim neuen iPhone.
Daneben gefällt mir außerordentlich gut, dass Apple beim Design zu einer rundlicheren Formensprache zurückkehrt. Zurück sage ich deswegen, weil das allererste iPhone von 2007 die an den Seiten bereits hatte. Warum Apple auf die abgeschrägten und hochglanzpolierten Kanten vom iPhone 5 und 5s so stolz war (auf der Produktseite vom iPad Air steht immer noch „Die unverkennbaren Rahmen nehmen den Kanten ihre Schärfe. Sie werden mit einem monokristallinen Diamanten geschnitten, der Toleranzbereiche im Mikrometerbereich ermöglicht“, aargh) habe ich ohnehin nie verstanden. Und ich würde mich auch freuen, wenn das nächste iPad und auch die Macs künftig hier und da wieder ein wenig rundlicher statt kantiger ausfallen würden.
Wer die Frage geklärt hat, ob er überhaupt ein iPhone 6 braucht, der muss sich zwischen dem normalen Modell mit 4,7 Zoll Bildschirmdiagonale und dem Plus-Modell mit 5,5 Zoll für 100 Euro mehr entscheiden. Ich rate eindeutig zum iPhone 6 Plus. Und zwar, weil es erstens den deutlich größeren Akku und zweitens im Kameramodul auch eine optische Bildstabilisierung (OIS) hat und nicht nur eine digitale. Der Akku im iPhone 6 Plus hält nach meiner Erfahrung auf jeden Fall einen auch längeren Arbeitstag durch, ohne zwischendurch nachzutanken. KO-Kriterium. Und zwar auch dann, wenn man zum Beispiel einige Stunden im Zug sitzt. Gäbe es das normale iPhone 6 auch mit 2915 statt 1810 Milliamperestunden Kapazität, würde ich übrigens dieses vorziehen. Weil mir die Baugröße in der Hand besser gefällt als das Plus, das sich für mich einen Hauch zu groß anfühlt.
Die native Auflösung des iPhone 6 Plus (1920 x 1080 Bildpunkte) nutzt Apple nicht wirklich. Vielmehr rechnet es mit einem relativ komplexen Verfahren die Pixel so um, dass sich für App-Entwickler nicht zu viele Komplikationen ergeben. Apps in iOS 8 können auf dem größeren Bildschirm des iPhone 6 Plus eine neue Querformat-Ansicht nutzen; in Mail sieht man darin zum Beispiel Postfach und Nachricht gleichzeitig. Caveat: Die Querformat-Ansicht funktioniert leider nicht, wenn man den Anzeigezoom einschaltet.
Was die vielen neuen Programmierschnittstellen und Frameworks von iOS 8 alles möglich machen, wird sich erst noch zeigen. Ich bin vor allem gespannt, wann und wie Apple Pay nach Deutschland kommt (ich fürchte, dass ich hier bis dahin schon über das iPhone 6s schreiben werde). Die bislang erhältlichen alternativen Tastaturen finde ich übrigens allesamt unbrauchbar; Apple hat aber mit seinem QuickType die Latte selbst ordentlich hoch gelegt. Ich verstehe allerdings beim besten Willen nicht, warum es weiterhin bei der Darstellung nicht zwischen Groß- und Kleinbuchstaben wechselt. Das ist so viel angenehmer für das Gehirn.
Die Fotos (und Videos) die man mit dem iPhone 6 machen kann, zeigen klar, dass es bei Kameras im Smartphone mehr auf Software denn auf Sensor-Megapixel ankommt. Es gibt zugegeben auch einige wenige Telefone, die bei wenig Licht bessere Fotos und in Videos besseren Ton hinbekommen (in lauten Konzerten zum Beispiel), aber auf denen steht Nokia. Wer ein Top-Smartphone wie das iPhone 6 hat, braucht jedenfalls nicht auch noch zusätzlich eine Point-and-Shoot-Kamera mit sich herumzuschleppen. Es gibt sogar Leute die meinen, die Kamera im iPhone 6 könnte das Filmemachen revolutionieren. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen – ich mache einfach nicht genug mit Video.
Es gab hier und da Kritik daran, dass die Kamera vom iPhone 6 aus dem Gerät herausragt und das Telefon deswegen zum Beispiel beim Tippen wackelt, wenn es auf dem Tisch liegt. Mich persönlich stört das nicht – und sowieso ist es kein Thema mehr, sobald man das Telefon mit einer Hülle schützt. Apple hat schöne aus Silikon und Leder; wem die nicht taugen, der wird gewiss im Ökosystem fündig.
Dann war da ja noch das #bentgate. Irgendwas ist immer, wenn Apple eine neue Gerätegeneration herausbringt. Es könnte durchaus sein, dass das extrem dünne iPhone 6 Plus an der Stelle, wo der SIM-Kartenschlitten sitzt, vielleicht ein klein wenig weniger verwindungssteif ist als anderswo. Aber ich für meinen Teil stecke bestimmt kein Smartphone für 800 bis 1000 Euro in eine superenge Hipsterhöschentasche oder setze mich drauf. Deswegen sehe ich auch nirgends ein Gate.
Ein bisschen genervt hat ich mich hingegen die U2-Aktion (das letzte Album von denen, das ich richtig gut fand, war 1991 „Achtung Baby“). Und richtig geärgert habe ich mich über das Update-Debakel mit iOS 8.0.1. Wenn ich schon meine neuen Telefone mit unausgereiftem System ausliefern muss, weil ich in Shenzhen zum Marktstart zehn Millionen Stück vorproduzieren lasse und entsprechend zeitlichen Vorlauf brauche, dann lasse ich mir doch bei allem Hochdruck für das erste Bugfix-Update bitte genug Zeit zum Testen. Beim nächsten Mal, ok?
tl;dr: Wenn iPhone 6, dann bitte Plus.