Auf dem Foto oben seht Ihr einen Roland Jazz Chorus JC-40. Auf der Bühne der Freiheizhalle gestern Abend. Bis Sonntagabend gegen zehn war der Amp noch meiner. Jetzt gehört er Jess. Jess ist die Gitarristin von Calva Louise aus Manchester. Calva Louise hatte ich bis vor einer Woche noch nie gehört. Jetzt bin ich ein Fan.
Und das kam so: Ich hatte den JC-40 nach Weihnachten bei Ebay Kleinanzeigen inseriert. Einen Monat lang praktisch keine Reaktionen auf die Annonce (Festpreis, daher kein „Was ist letzte Preis“ und dergleichen). Am Dienstag vergangener Woche dann auf einmal eine Anfrage von Jess. Ein bisschen gewundert habe ich mich schon, warum sich ausgerechnet jemand aus UK für meinen Verstärker interessiert. Aber fein, das Netz macht’s möglich.
Wir haben uns dann für Sonntagabend halb neun bei mir verabredet. Um ehrlich zu sein: ich habe die Wahrscheinlichkeit, dass da wirklich eine Band aus England bei mir auf der Matte steht, vielleicht bei zehn Prozent angesetzt. Doch so kann man sich täuschen – kurz nach halb acht kam noch eine SMS, dass es eine halbe Stunde später wird. Und ein paar Minuten nach neun klingelte es dann tatsächlich an meiner Tür.
Die Treppe hoch kamen dann Jess (klar) und ihr Bassist Alizon. Sahen aus wie die netten Studis von nebenan, und Alizon hatten einen ziemlichen Koffer unterm Arm. Der entpuppte sich als das selbstgebaute Flight Case für Jess‘ durchaus umfangreiche Effektpedalerie. Denn schließlich wollte der JC-40 vor einem möglichen Kauf auf Herz und Nieren getestet sein. Das wurde er dann auch fast eine Stunde lang. Wir haben uns derweil super unterhalten. Und die beiden waren echt froh über einen Kaffee. Denn sie waren, wie sich herausstellte, schon seit mehr als 13 Stunden mit dem Auto unterwegs von London nach München.
Dabei hatten Calva Louise erst ein paar Tage zuvor in Berlin gespielt. Sie mussten aber zwischendurch unbedingt wieder nach London für einen schon ewig lang geplanten Auftritt. Rock’n’Roll.
Der JC-40 passte jedenfalls wie die Faust aufs sprichwörtliche Auge zu Jess‘ Gitarrenstil mit reichlich Surf- und psychedelischen Einschlägen. Wir sind dann noch zu dritt zum nächsten Bankomaten gedackelt, um das Finanzielle zu regeln. Dabei kamen wir am unterwegs geparkten Band-Auto vorbei, in dem auch noch Drummer Ben und der Sound Engineer saßen. Mann, die hätten ruhig was sagen können – der Kaffee hätte auch für alle vier gereicht und wärmer wäre es auch gewesen bei mir.
Wie auch immer, wir haben uns dann kurz nach zehn verabschiedet. Calva Louise mussten noch eine Stunde in die Buttnik zu ihrem Airbnb. Sie haben mir netterweise noch angeboten, mich für Montagabend auf die Gästeliste für ihren Auftritt in München zu setzen, wo sie als Vorgruppe von den mittlerweile doch ganz gut abgehangenen Razorlight engagiert waren. Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen. Ich war dann aber doch ein bisschen erstaunt, meinen verkauften Amp gleich auf der Bühne wiederzusehen.
Jess hatte übrigens vorher – lustigerweise genau wie ich auch – einen Fender Blues Junior. Nette kleine Röhrenkiste, die durchaus auch ein bisschen sanft zerren kann, aber für ihre Sounds eigentlich reichlich untauglich. Für das vor einer Woche erschienene Debüt-Album von Calva Louise, „Rhinoceros“ als kleine Hommage an Eugène Ionesco, hatten irgendwelche Musikerfreunde Jess den großen Jazz Chorus (JC-120) geliehen und sie auf den Geschmack gebracht. Nachdem in London kein gebrauchter in Sicht war, hatte Jess‘ Mutter die Idee, doch mal die Kleinanzeigen in Deutschland zu durchstöbern. Was uns dann letztlich zusammengebracht hat. Das charmante Deutsch aus ihrer ersten Anfrage ist übrigens Google Translate geschuldet, wie sich herausstellte. Ich habe mir erlaubt, bei der Gelegenheit mal ein bisschen die Werbetrommel für DeepL zu rühren 😉
Das nette Mädchen vom Abend vorher hätte ich übrigens auf der Freiheiz-Bühne um ein Haar nicht wiedererkannt. Wildfang ist ein schönes altes Wort, das die Bühnenpräsenz von Jess sehr treffend beschreibt. Die Musik von Calva Louise würde ich mir daheim zwar nie anhören, aber live ist natürlich ganz was anderes. Und der halbstündige Auftritt war richtig, richtig gut. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir von der Band noch mehr hören werden. Sie haben schon jetzt einen sehr schön eigenständigen Stil entwickelt. Aber schaut und hört am besten selbst:
Ich drücke den Dreien jedenfalls die Daumen. Und wenn sie wieder in München spielen, stehe ich vor der Bühne. Auf der dann wiederum hoffentlich immer noch „mein“ JC-40 stehen wird. Bei Jess weiß ich ihn in guten Händen.