Ausgerechnet heute, wo es draußen kaum richtig hell wird und den ganzen Tag regnet, ist das Päckchen mit dem Nokia Lumia 1020 zum Testen in der Post. Und das Grau soll vorerst auch bleiben – keine idealen Voraussetzungen, um ein Kamera-Smartphone so richtig auszuprobieren…
Aber sei’s drum. Kamera-Smartphone. Kamera oder Smartphone? Das Test-Päckchen von Nokia enthält jedenfalls das Lumia 1020 selbst, den als Zubehör erhältlichen Kameragriff mit zusätzlichem Akku und die ebenfalls als Zubehör erhältliche Schale für drahtloses Qi-Aufladen. Alles in Gelb, das mir speziell für dieses Gerät auch tatsächlich am besten gefällt.
Das Telefon selbst erinnert von vorn stark an ein 920. Allerdings sitzt das Nokia-Logo beim 1020 oben in der Mitte des Displays (beim 920 rechts) und dafür die Front-facing Camera ein bisschen weiter rechts. Der Ohrlautsprecher ist beim 1020 am oberen Display-Glasrand eingefräst, beim 920 ein Stückchen tiefer aus-. Die Softkey-Tasten sind ein klein wenig unsichtbarer beim 1020, solange sie nicht beleuchtet werden. Das 1020 ist außerdem an den meisten Stellen ein bisschen dünner als das 920 weil ohne Qi und auch leichter.
Dreht man das Gerät um, dann sieht man allerdings sofort, was anders ist beim 1020: Das Kameramodul mit seinem echten Blitz fällt auch aufgrund seiner schwarzen Abdeckung sofort ins Auge.
Die Kamera mit Zeiss-Optik und optischer Bildstabilisierung (OIS) ist im wahrsten Sinne des Wortes herausragend.
Der verbaute Sensor erfasst 41 Millionen Bildpunkte (Megapixel). So ein Monstermodul hatte Nokia schon einmal verbaut im 808 PureView, das seinerzeit allerdings noch mit dem Symbian-Betriebssysem arbeitete. Das Lumia 1020 läuft wie alle Geräte dieser Familie mit Windows Phone von Microsoft, im 1020 – das eigentlich 909 heißen sollte – ist die neueste Ausprägung „Amber“ (GDR2 von Microsoft plus Extras aus Espoo) installiert.
Nokia hat speziell für das Lumia 1020 die Software Nokia Pro Cam entwickelt. Die arbeitet brauchbar schnell und bietet allerhand Einstellmöglichkeiten, die Empfindlichkeit kann man zum Beispiel auf ISO 4000 hochziehen. Instacrap-Filter überlassen die Finnen hingegen lieber Third-Party-Entwicklern, für die es das neue Imaging-SDK zum Austoben gibt. Nokia Pro Cam läuft übrigens auch auf einer Reihe kleinerer Lumias, auf die Spezialitäten des 1020-Sensors muss man dann aber natürlich verzichten. Mit dem Kameragriff fasst sich das neue Lumia zum Fotografieren übrigens sehr viel besser an. Und die Qi-Schale trägt und fällt weniger auf als beim Lumia 925, wo ich sie eher als Fremdkörper empfinde.
Wenn man mit dem Lumia 1020 ein Foto schießt, speichert das Telefon immer zwei Bilder – eines mit 34 Megapixeln (7712 x 3452) und ein daraus optimiert heruntergerechnetes mit 5 Megapixeln (3072 x 1728) für den digitalen Hausgebrauch. Der Sensor ist ohne Frage mit Abstand das Beste, was man derzeit in einem Smartphone kriegen kann. Bilder wie von einer DSLR oder vergleichbaren System-/Bridge-Kamera darf man trotzdem nicht erwarten; dafür fehlt trotz allen Könnens von Zeiss und Nokia einfach eine Optik mit längerer Brennweite, Stichwort Schärfentiefe.
Insofern stellt sich mir vor allem die Frage, für wen dieses Telefon nun eigentlich gedacht sein soll. Und beantworten kann ich sie genauso wenig wie beim 808 damals. Für Party-Schnappschüsse bei Facebook und Co braucht man so einen üppigen Sensor bestimmt nicht. Und professionelle Fotografen, auch wenn die mit einem Lumia 1020 ganz gewiss erstaunliche Dinge zuwege bringen, können mit einer letztlich doch bauartbedingt beschränkten Optik mit fester Blende (f2.2) und Belichtungsmessung einfach nicht wirklich viel anfangen. Dass sich Smartphones generell in die vom Lumia 1020 eingeschlagene Richtung weiterentwickeln kann ich mir schon aufgrund des Formfaktors genauso wenig vorstellen wie dass Smartphones richtige Kameras überflüssig machen.
Erschwerend kommt noch der vergleichsweise hohe Preis von knapp 700 Euro dazu (ohne den Camera Grip und die Qi-Schale, versteht sich) dazu, der aufgrund der verbauten Edeltechnik auch nicht so bald drastisch sinken wird. Das Lumia 920 bekommt man dieser Tage schon für weniger als 300 Euro. Auch mit Amber und Nokia Pro Cam.
P.S: Bei flickr habe ich mittlerweile ein paar Fotos hochgeladen, die ich mit dem Lumia 1020 geschossen habe.