Microsoft sieht sich nun also gezwungen, Windows 7 in Europa ohne den Internet Explorer 8 auszuliefern, um seinen angekündigten GA-Termin am 22. Oktober auf jeden Fall halten zu können. Worin die EU-Kommission in Brüssel ihrerseits eine nochmalige Beschränkung der Wahlmöglichkeiten des europäischen Verbrauchers wittert.
Ich glaube, ich bin im falschen Film. Die Mühlen der Kartellbehörden überall auf dieser Welt mahlen seit Jahren zu langsam für die schnelllebige IT-Branche. Die Kartellwächter befassen sich immer erst dann mit Problemen, wenn die sich längst erledigt haben. Der „Browser-Krieg“ war ein Thema zu Netscape-Zeiten. Wieso geht die Kommission jetzt noch einer posthumen (was den Desktop angeht jedenfalls) Beschwerde von Opera nach?
Firefox beweist mit signifikanten Marktanteilen vor allem in Europa längst, dass bei Browsern ein durchaus gesunder Wettbewerb herrscht. Dazu noch Safari, Chrome und kleinere Exoten (wie Opera) – der Konsument hat also durchaus die Qual der Wahl.
Klar, es gibt immer ein paar Leute, die sich einen Computer kaufen und dann glauben, der mitgelieferte IE sei der einzige Browser. Das sind dann aber auch die gleichen, die auf ewig MSN als Startseite behalten (oder T‑Online, wenn sie sich deren Software antun). Solch unmündigen Verbrauchern helfen aber auch keine Kartellstrafen aus Brüssel.
Microsofts Sünde hinsichtlich des IE ist aus meiner Sicht ohnehin nicht das Bundling mit Windows. Sondern, dass sie jahrelang die W3C-Standards ignoriert und proprietäres Zeug wie ActiveX propagiert haben. Auf das auch noch viele Anwender gerade in Unternehmen reingefallen sind, weil es bequem war. Scott McNealy lästerte seinerzeit gern über „CaptiveX“ – remember?
Doch längst hat sich der Redmonder Saulus in vielen Bereichen zum Paulus gewandelt. Was man unter anderem am IE8 ablesen kann, der durchaus ordentlich mit Web-Standards umgeht und eine Menge guter Ideen und Konzepte enthält. Die seit Jahren erkennbare Öffnung in Richtung Interoperabilität haben aber nicht die Kommissare in Brüssel oder ihre Pendants in Washington, D.C., erzwungen, sondern Microsofts eigene Kunden.
Trotzdem reitet die Kommission immer noch auf dem Thema Browser herum und zwingt Microsoft zu dem absurden „Windows E“. Das wird die PC-Hersteller und Verbraucher ungefähr genauso tangieren wie das frühere „Windows N“ ohne Media Player. Die meisten Windows-PCs werden gewiss trotzdem mit dem IE in den Handel kommen. Teure und ressourcenvernichtende Sisyphus-Arbeit der Kommission, weiter nichts.
Microsoft kämpft in Wahrheit längst an anderen Fronten. Mit Bing, Silverlight, Windows Mobile, Azure, Zune, Xbox 360 gegen Google, Adobe, Apple und RIM, Amazon, VMware, Nintendo… Und hat teilweise einen erheblich schwereren Stand als in der Monopoly-Vergangenheit. Aber bis die Kartellhüter sich mal genauer anschauen, wie hart die Bandagen auf diesen neuen Schlachtfeldern sind, werden erst wieder ein paar Jahre ins Land gehen.
2 Kommentare
Danke. Guter Beitrag! Der Hinweis auf die aktuellen Probleme von Microsoft ist berechtigt. Microsoft ist auf so vielen unterschiedlichen Feldern unterwegs, dass sich die Firma verzettelt und keiner mehr so richtig weiß, wofür die Firma eigentlich steht.
Die Aktionen aus Brüssel richten sich somit weniger gegen Microsoft, als vielmehr gegen den Endverbraucher.
Da hast du Recht. Ich bin auch der Meinung, dass EU hier total falsch handelt. Klar es ist gut wenn Konkurenz gibt, aber was hier abgespielt wird ist IT Krieg. Ich benutze nun extra nur IE und Bing. Es kann nicht sein, dass Microsoft für Google und Co. wirbt. Windows sollte mit IE geliefert werden und auch mit media player.