Wie sich Langenscheidt und BIFAB ins Aus befördern

Ich muss mich mal wie­der ein biss­chen auf­re­gen. Und zwar über die gro­tes­ke Soft­ware, die BIFAB (Biblio­gra­phi­sches Insti­tut & F. A. Brock­haus) und Lan­gen­scheidt mit ihren digi­ta­len Nach­schla­ge­wer­ken auf CD-ROM lie­fern. Aktu­el­ler Anlass ist das Rezen­si­ons­exem­plar des unzwei­fel­haft groß­ar­ti­gen Muret-San­ders, das mir Lan­gen­scheidt die­ser Tage als e‑Großwörterbuch Eng­lisch zuge­schickt hat. Die­ser Daten­trä­ger kos­tet übri­gens knapp €200, wenn man ihn käuf­lich erwirbt.

Ein klei­ner Rück­blick: BIFAB und Lan­gen­scheidt bie­ten ihre Nach­schla­ge­wer­ke schon län­ger in Ver­sio­nen für den Com­pu­ter an. Anfangs gab es dafür eine gemein­sa­me Soft­ware, die PC-Biblio­thek. Die­se lief nur auf PC und Mac. Sie wur­de spä­ter abge­löst durch die Office-Biblio­thek, die zusätz­lich auch Linux unter­stützt. Lan­gen­scheidt hat sich dar­aus nun wie­der irgend­wie aus­ge­klinkt und ver­wen­det zumin­dest für Tei­le sei­ner Wer­ke das Pro­gramm e‑Wörterbücher. e‑Wörterbücher prä­sen­tiert sich dem stol­zen Besit­zer nach der Instal­la­ti­on so:

Langenscheidt e-Wörterbücher

Um es kurz zu machen: Geschmei­di­ge Win­dows-2000-Anmu­tung – wir leben aber im Jahr 2009. Die Soft­ware funk­tio­niert zwar, aber so etwas kann man heu­te ein­fach kei­nem Nut­zer mehr zumu­ten. Die Mac-Aus­füh­rung der Office-Biblio­thek kommt genau­so zeit­ge­mäß daher und gemahnt optisch bes­ten­falls an Mac OS X 10.0 (ver­dammt lang her, um BAP zu zitieren):

Office-Bibliothek unter Mac OS X

Dass die Office-Biblio­thek unter Win­dows und Linux genau­so grau­sig aus­schaut, ver­steht sich von selbst. Wei­te­re Screen­shots erspa­re ich mir und Euch. Kei­nes der genann­ten Pro­gram­me ist auch nur ansatz­wei­se zeit­ge­mäß, und kei­nes nutzt die tol­len Mög­lich­kei­ten, die moder­ne Betriebs­sys­te­me dem Pro­gram­mie­rer zur Ver­fü­gung stel­len. Zum Ver­gleich noch ein­mal kurz die Anmu­tung des Lexi­kon-Pro­gram­mes, das Apple (als kos­ten­lo­se Drein­ga­be) mit sei­nem Betriebs­sys­tem mitliefert:

Apples Lexikon aus Mac OS X

Ich will hier aber nicht nur über Eye Can­dy reden. Das Haupt­pro­blem von PC- und Office-Biblio­thek sowie e‑Wörterbücher ist näm­lich ein ganz ande­res: Inkom­pa­ti­bi­li­tä­ten und das elen­de Gef­ri­ckel mit Regis­trie­run­gen und dem „DRM für Arme“ (Digi­ta­le Rech­te­min­de­rung, wie die „FAZ“ gut und gern schreibt), das sich die Anbie­ter erlau­ben. Und die einem dann auch noch den letz­ten Spaß versauen.

Bit­te nicht miss­ver­ste­hen: Ich habe volls­tes Ver­ständ­nis dafür, wenn Lan­gen­scheidt und BIFAB ihre unzwei­fel­haft wert­vol­len Inhal­te in ihrer digi­ta­len Form vor mas­sen­haf­tem Raub­ko­pie­ren schüt­zen wol­len. Dafür gibt es aber längst brauch­ba­re Ver­fah­ren wie zum Bei­spiel die soge­nann­te Akti­vie­rung, bei der eine Seri­en­num­mer an bestimm­te ein­ein­deu­ti­ge Merk­ma­le der jewei­li­gen Rech­ner­hard­ware gebun­den wird.

Zurück zum Muret-San­ders: Der läuft nach offi­zi­el­len Anga­ben von Lan­gen­scheidt nur unter Win­dows (ab Ver­si­on ME, wie man unschwer sehen kann s.o.). Bei der Instal­la­ti­on steht dann im Klein­ge­druck­ten, dass man die Inhal­te sehr wohl auch in die PC-Biblio­thek instal­lie­ren kann. Und damit natür­lich auch in deren Nach­fol­ger Office-Biblio­thek (das wie­der­um steht nicht drin) und somit auch auf Mac und Linux. Was ich dann auch gleich mal getan habe.

Das Dum­me ist dann nur, dass die Office-Biblio­thek nicht die Lan­gen­scheidt-eige­ne Metho­de zur Bereit­stel­lung von Inhal­te-Updates über das Inter­net unter­stützt (ich hab sie mir trotz­dem gezo­gen, und zwar kurz gesagt auf dem Umweg über ein vir­tu­el­les Win­dows; der Auf­wand ist aber eigent­lich nicht ver­tret­bar). Voll­kom­men unnö­ti­ger­wei­se übri­gens, denn unter der Hau­be von PC- und Office-Biblio­thek und e‑Wörterbücher wer­kelt ein iden­ti­scher Murks, den BIFAB und Lan­gen­scheidt sei­ner­zeit von Joan­ne­um Rese­arch haben ent­wi­ckeln las­sen. Die damals geru­fe­nen Geis­ter wird man nun offen­bar ein­fach nicht los (gewiss gibt es da noch alle mög­li­chen ver­trag­li­chen und lizenz­recht­li­chen Altlasten).

Und damit schau­feln sich BIFAB und Lan­gen­scheidt wei­ter das eige­ne digi­ta­le Grab. Ver­la­ge wie die­se bei­den haben es in Zei­ten von Wiki­pe­dia oder dict​.leo​.org natür­lich sowie­so zuneh­mend schwe­rer. Aber auch in Zei­ten von UMTS-Sticks sehe ich per­sön­lich auf jeden Fall noch einen Markt für Off­line-Nach­schla­ge­wer­ke. Ich jeden­falls wäre durch­aus bereit, für sol­che Inhal­te auch gutes Geld zu bezah­len. Versprochen.

Nur haben wir hier wohl längst ein Hen­ne-Ei-Pro­blem: Der Nut­zer kauft sich kei­ne BIFAB- und Lan­gen­scheidt-CDs, wenn er die Soft­ware-Hor­ro­show ein­mal gese­hen hat. Dann machen BIFAB und Lan­gen­scheidt auch kei­ne Umsät­ze, und ohne Umsät­ze und Stück­zah­len neh­men sie natür­lich auch kein Geld in die Hand, um eine bes­se­re Soft­ware schrei­ben zu las­sen. Ein fata­ler Teu­fels­kreis, fürch­te ich.

Wenn ich an Stel­le der Ver­la­ge wäre, wür­de ich mich ganz bald mal zusam­men an einen run­den Tisch set­zen und mir ein­fach die Fra­ge stel­len, wie es wei­ter­ge­hen soll. Eine radi­ka­le Mög­lich­keit: Auf­ge­ben. Einen sau­be­ren Schluss­strich zie­hen und die Nach­schla­ge­wer­ke auf CD umge­hend ein­stel­len. Eine ande­re: Sich schleu­nigst ein paar halb­wegs begna­de­te Pro­gram­mie­rer suchen – das gin­ge zum Bei­spiel rela­tiv kos­ten­neu­tral über Infor­ma­tik-Diplom­ar­bei­ten – und ver­nünf­ti­ge neue Soft­ware erstel­len las­sen. Als Orientierungshilfe/Vorgabe könn­te dabei zum Bei­spiel iTu­nes die­nen. Und dazu noch einen schö­nen Store für Nach­schla­ge­wer­ke, mit einer offe­nen Spe­zi­fi­ka­ti­on, der sich bei Bedarf ande­re Inhal­te-Anbie­ter anschlie­ßen können.

Aber viel­leicht hat ja jemand noch eine bes­se­re Idee? So ein Online-Abon­ne­ment wie bei Duden ist aus mei­ner Sicht (jeden­falls für die meis­ten End­kun­den) kei­ne Alter­na­ti­ve. Ich hof­fe doch sehr, dass der sprich­wört­li­che Zug noch nicht abge­fah­ren ist und ich auch in ein paar Jah­ren noch Wis­sens­wer­tes auf mei­nem Rech­ner nach­schla­gen kann. Auch off­line, wohlgemerkt.

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