Ich habe mein Fernsehen proaktiv auf das jetzt „allgemein“ (= für Telekom-Bestandkunden mit DSL, nur online buchbar) verfügbare, aber noch nicht stark vermarktete neue OTT-Angebot MagentaTV 2.0 umgestellt, dem bei der Deutschen Telekom mittelfristig die Zukunft gehören dürfte. Aktuell befindet sich der Konzern mit seinem Internet-Fernsehen in einer nicht ganz trivialen Übergangsphase mit mehr oder weniger drei parallelen Plattformen:
- MagentaTV mit Multicast-Backend und Media-Receiver-Endgeräten (dazu zählen auch die MagentaTV Box und Box Play mit integriertem WLAN-Mesh-Repeater)
- MagentaTV über Unicast und neuere Endgeräte wie MagentaTV One (verwirrend ebenfalls als Box bezeichnet), MagentaTV Stick sowie Apps für Apple TV, Amazon Fire TV und einige Smart-TV-Plattformen – allerdings nicht webOS von LG. Erfordert neueren Vertrag wie MagentaTV Smart
- MagentaTV 2.0 mit anderem Backend, ebenfalls Unicast und mit vergleichbaren Endgeräten wie One, Stick, Apple TV und Fire TV bzw. Smart-TV-Apps. Erfordert aktuell einen Vertragswechsel (= weitere zwei Jahre Laufzeit)
Die neueren Unicast-Varianten funktionieren prinzipiell über das normale Internet und damit unabhängig vom Telekom-Anschluss. Die Abkehr von Multicast als neue strategische Ausrichtung hatte die Telekom bereits vor einiger Zeit verkündet. Das Multicast-Backend kam zuletzt übrigens von Huawei – dass die chinesische Firma bei den USA und in der Folge auch ihren Bündnispartnern in Ungnade gefallen ist, könnte mit ein Grund für den Sinneswandel der Telekom sein. Reine Spekulation meinerseits übrigens, das wurde so an keiner Stelle kommuniziert. Die Ausspielung für Multicast und OTT v1 läuft über dieselbe Plattform, 2.0 hat eine separate neue.
OTT v1 hat gegenüber den früheren Media Receivern, die schon seit einiger Zeit vertriebseingestellt sind, aber eine ganze Reihe von Nachteilen. Als da z. B. wären kein Dolby-Ton beim Live-TV, keine Sky-Abos mehr (nur noch Wow), kein Videotext mehr, keine belegbaren Farbtasten mehr auf der Fernbedienung, kein Vorspulen mehr bei diversen Privatsendern, kein Umschalten mehr zwischen den beiden zuletzt geschauten Sendern über die Zurück-Taste, kein tageweises Springen im EPG oder nicht alle gewohnten Sender. Außerdem landen alle Aufnahmen in der Cloud und nicht mehr auf einer lokalen Festplatte im Haupt-Media-Receiver. Wer also noch funktionierende Media Receiver hat, sollte sich einen Wechsel Richtung OTT mithin gut überlegen.
Immerhin räumt MagentaTV 2.0 einige der erwähnten Schwachpunkte aus. Die neue adaptive Streaming-Technik unterstützt laut Telekom in der Theorie außerdem „aktuellste Bild- und Ton-Standards (z. B. UHD, HDR, Dolby Surround, Vision Audio)“ – was aber nicht heißt, dass auch schon entsprechende Inhalte verfügbar wären. Schon gar nicht beim Live-TV.
Öffentlich-rechtliche Sender zum Beispiel kommen über MagentaTV, egal welche Ausprägung, aktuell gerade mal in 720p (1280 x 720 Pixel), also nicht mal in Full HD (1920 x 1280 Pixel). Und das im Jahr 2023, wo vermutlich doch die meisten TV-Geräte in deutschen Wohnzimmern 4K-Displays haben. Technisch könnte sogar OTT v1 UHD und Dolby-Ton ohne Probleme; zur Fußball-WM in Katar wurde das erfolgreich getestet.
Auch Originalfassungen via Mehrkanalton sucht man leider fast immer vergeblich, selbst wenn diese im Livestream der jeweiligen Sender-App enthalten sind. Dahinter steckt vermutlich primär das Bestreben, die übertragene Datenmenge so gering wie möglich zu halten. Offiziell eingeräumt oder kommuniziert wird dies aber nie.
Last, but not least werden Cloud-Aufnahmen von MagentaTV OTT „aus rechtlichen Gründen“, die leider nicht konkreter spezifiziert sind, teilweise bereits nach 60 Tagen gelöscht. Das ist ein echter und erheblicher Rückschritt gegenüber der guten alten Festplatte im Media Receiver.
Wirklich gespannt darf man sein, wann die Telekom den Stecker zieht bei Multicast-IPTV und OTT v1 (gemunkelt wurde öfter schon mal Ende 2024). Allerdings ist die installierte Media-Receiver-Basis sicher noch sehr groß. Und offenbar will man die nicht auf einen Schlag komplett in Elektroschrott verwandeln. Anders ist dieser Test nicht zu erklären. Man darf jedenfalls gespannt sein, wohin die Reise geht mit MagentaTV.