Eigentlich hätte auch „Adventures in the Land of the Good Groove“ als Titel gepasst für die Verkettung unglücklicher Umstände, die mir unlängst widerfahren ist im E‑Commerce-Abenteuerland. Aber wo fange ich an? Irgendwann im Spätsommer 2020 ist durchgesickert, dass Kruder & Dorfmeister beim Aufräumen im Studio ein altes DAT gefunden haben, das sich als so geil herausgestellt hat, dass sie es als „Lost Album“ unter dem Titel „1995“ 25 Jahre später herausbringen würden.
Als alten Downbeat-Fan hat mich das natürlich total wuschig gemacht. Und nach dem Vorab-Video war ich komplett hin und weg und hab mich gleich mal 25 Jahre jünger gefühlt. Ich bin dann irgendwann auf kruderdorfmeister.com rumgesurft und habe im Store entdeckt, dass zum Erscheinen von „1995“ auch eine Serie von vier Art Prints in limitierter Auflage herauskommen würde. Einer davon hat es mir ganz besonders angetan, zeigte er doch einen Atari Mega ST2, den K&D seinerzeit im Studio benutzt hatten. Das war auch mein erster Rechner gewesen – und zugleich der, den ich 1995 noch am Start hatte.
Atari Mega ST2: ein kleiner Exkurs
Der Mega ST2 von Atari wurde von 1987 bis 1991 vertrieben. Er lief mit einem auf 8 Megahertz getakteten Motorola 68000, hatte 2 Megabyte Hauptspeicher und ein 3,5‑Zoll-Diskettenlaufwerk. Festplatten mit 20 bis 60 Megabyte Speicherplatz gab es als Zubehör (das Gehäuse war gleich groß wie das des Rechners); ich hatte eine „Megafile 30“. Und den monochromen Monitor „SM124“ mit 640 x 400 Bildpunkten Auflösung und 70 Hertz Bildwiederholfrequenz, der auch auf dem Print von Kruder & Dorfmeister zu sehen ist samt eingebranntem vermutlich Cubase.
Der Atari ST war damals so etwas wie der Mac für Arme. Und vor allem hatte er serienmäßig eine MIDI-Schnittstelle, an die man allerlei digitale Musikgerätschaften anschließen konnte. Das war seinerzeit richtig revolutionär. Auch sonst war der Atari durchaus wegweisend – ich hatte ihn, weil man mit dem Textprogramm „Signum“ fremde Sprachen schreiben konnte mit eigenen Schriften, lange bevor an so etwas auf PCs zu denken war. Und ich möchte nicht wissen, wie viele Stunden ich vor dem Spiel „Oxyd“ zugebracht habe …

Software gab es damals vor allem auf Public-Domain-Disketten, die wüst kopiert wurden mittels „FastCopy III“ und anderen verwegenen Low-level-Tools.

Zum Glück saß ich damals quasi an der Quelle mit einem Studentenjob bei einem PC-Markt in Göttingen, wo ich mit „Calamus“ die ganzen Preisschilder erzeugen musste.

Da habe ich also nicht lange überlegt und dieses Motiv bestellt, zusammen mit einem weiteren, das mir auch noch sehr gut gefallen hat (mit einem Wurlitzer-E-Piano drauf). Passend dazu habe ich mir bei Halbe gleich schon mal die passenden Rahmen im LP-Cover-Format 31,4 x 31,4 Zentimeter geordert. Im K&D‑Store stand, dass der Versand der Drucke nach Erscheinen des Albums ab dem 16. November beginnen würde. Und zwar aus England, denn mit der Abwicklung haben die Herren Kruder und Dorfmeister einen auf Musik-Merchandise spezialisierten Versand mit Büro in London und Lager in Warwick betraut.

Am 19. November erhielt ich von nämlichem Dienstleister die Versandbestätigung für meine Bestellung inklusive Tracking-Nummer, und am 28. November lieferte GLS eine flache Papphülle bei mir ab. Als ich die sorgfältig geöffnet hatte, war ich allerdings enttäuscht – hatten mir die Herrschaften in Warwick doch statt des bestellten Atari-Motivs ein anderes aus der Serie geschickt, nämlich einen Vinyl-Koffer, mit dem Kruder & Dorfmeister 1995 durch die Clubs getourt sind. Auch schön, aber eben nicht das gewünschte und bestellte Motiv.
Ich habe die falsche Teillieferung dann zunächst per E‑Mail reklamiert und anschließend auch noch angerufen, nachdem auf die E‑Mail ein Wir-sind-leider-total-überlastet-gerade-das-kann-dauern-Autoreply zurückkam. Mit einer freundlichen Emily am Telefon habe ich mich darauf verständigt, dass ich den Record-Case-Druck behalte (weil auch schön) und das Atari-Foto einfach nochmals bestelle, was ich dann auch getan habe. Am 3. Dezember hatte ich dann die Versandbestätigung für die neue Bestellung in der Inbox, und auch die Halbe-Rahmen waren inzwischen eingetrudelt.

Ich glaube am 13. Dezember kam dann das zweite Paket mit GLS. And guess what: es war wieder das falsche Motiv darin, die Plattenkiste. Statt tagelang auf eine E‑Mail-Antwort zu warten oder mich nochmal ans Telefon und in die Warteschleife zu hängen, habe ich daraufhin am 16. Dezember den Live-Chat auf der Website des Merchandise-Händlers angeworfen (der wird nämlich via Zendesk verbatim protokolliert).
Ein wiederum sehr freundlicher Shaun versprach mir darin, er werde sich mit dem Warehouse Manager direkt ins Benehmen setzen und der werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass ich im dritten Anlauf ganz bestimmt den richtigen Druck bekommen würde – und das sogar noch vor Weihnachten, versprochen.

Tatsächlich kam das nächste Paket aus England dann noch am 22. Dezember bei mir an, einen Tag vor meiner Weihnachtsreise nach Berlin. Eigentlich wusste ich schon beim Aufmachen, was drin sein würde: ein weiterer Print mit dem Record Case. Und so war es dann auch. Die E‑Mail, die ich daraufhin an den Merchandise-Laden rausgelassen habe, war nicht mehr ganz so höflich wie die vorherigen, was man mir nachsehen möge. Ich habe außerdem ein Foto von dem gewünschten Atari-Print mitgeschickt, zum Abgleich mit dem Druck, der beim nächsten Versuch eingepackt würde.
Außerdem habe ich mich dann entschlossen, die Angelegenheit ein wenig zu eskalieren (was sich als eine weise Entscheidung herausstellen sollte), und den letzten Mail-Verkehr mit den Engländern samt kurzer Zusammenfassung des bisherigen Geschehens an die allgemeine Kontaktadresse auf der Website von Kruder & Dorfmeister, die beiden dort genannten Manager und auch noch die (nur geratene) Adresse des Fotografen geschickt, der die vier Motive für die Art Prints abgelichtet hatte. Tags drauf habe ich mich dann erst einmal in den Sprinter nach Berlin gesetzt und die Sache für ein paar Tage einfach vergessen.
Am 5. Januar hat sich dann tatsächlich Hannes Eder von Phat Penguin bei mir gemeldet, dem Management von Kruder & Dorfmeister. Er hat mir versichert, dass der Atari-Print real existiert, mir erklärt, dass vermutlich eine Verwechslung im Warehouse die Ursache der bisherigen Probleme sei, und mir versprochen, sich persönlich darum zu kümmern, dass alsbald (im Rahmen des Brexit-Möglichen) der richtige Atari-Print bei mir ankommen würde. Was war ich froh: endlich jemand am Ball, der offenbar weiß, was er tut.

Am 15. Januar konnte ich Hannes Eder zumindest schon einmal die Versandbestätigung als neuen Zwischenstand mitteilen. Und am 20. Januar kam dann der GLS-Mann mit dem inzwischen vierten Paket aus England. Dessen Öffnung ich zur Sicherheit in einem „Unboxing-Video“ festgehalten habe. Das war auch gut so – denn es enthielt wieder den mittlerweile sattsam bekannten Plattenkoffer-Print. Angesichts dessen fehlten mit allmählich die Worte.
Dem Herrn Eder in Wien ging es offenbar ähnlich. Nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte, habe er
den Chef der Bude dort jetzt nochmal eher undiplomatisch angepfiffen. Er verspricht bei seinem Leben persönlich dafür zu sorgen, dass der richtige im 5.(!) Anlauf zu dir kommt.
Das ließ in mir die Hoffnung aufkeimen, dass ich vielleicht in diesem Leben doch noch den Atari-Print in seinen Rahmen setzen und da hinhängen könnte, wo ich zwischenzeitlich ersatzweise das Wurlitzer 200A probehalber platziert hatte. Am 22. Januar dann ein weiteres Update aus Wien: der Chef der Merchandise-Firma habe meinen Druck – wohl zu Schulungszwecken – persönlich verpackt, er sei auf dem Weg zu mir.

Das Paket kam diesmal dann ein wenig überraschend, weil ohne Versandbestätigung, am völlig verregneten 26. Januar bei mir an. Die übliche Papphülle war noch von einer Plastiktasche umhüllt, weil man mir als Goodie noch ein „1995“-T-Shirt mit eingepackt hatte. Ich habe das Auspacken auch diesmal wieder auf Video aufgenommen. In der Pappe war wieder ein Druck in Seidenpapier (so wie bei den vier Malen vorher auch schon). Das der Chef nochmal kreuzweise mit „Fragile“-Klebeband verklebt hatte. Beim gegen das Licht halten schlug mein Herz vor Freude: es schien tatsächlich das Atari-Motiv durch!
Die Freude war allerdings nur von extrem kurzer Dauer. Beim Auspacken stellte sich heraus, dass der Pack-Man in seinem Schulungseifer leider ein wenig zu gründlich vorgegangen war und den Druck an zwei Kanten vor allem der linken oberen Ecke irreparabel verknickt hatte. Ich hätte ohne Scheiß beinahe angefangen zu heulen. Stattdessen habe ich drei Fotos von den Beschädigungen gemacht, mitsamt dem Auspackvideo in die Cloud hochgeladen und den Link darauf an Meister Eder gemailt.

Wir haben uns dann darauf geeinigt, diese mittlerweile doch eher Groteske mit Humor zu nehmen und einen unverkrampften sechsten Anlauf zu nehmen. Und was soll ich sagen: am Dienstag dieser Woche, dem 2. Februar, klingelte GLS zum sechsten Mal und brachte mir einen Pappumschlag, in dem ein gut verpackter und unbeschädigter Art Print mit dem Atari Mega ST2 steckte. Der fünf Minuten später an der Wand hing und flugs fotografiert per E‑Mail an Hannes Eder ging.
Bei dem ich mich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bedanken möchte, dass er mir den Glauben an die Menschheit zurückgegeben hat mit seiner professionellen, persönlichen und humorvollen Kommunikation, ohne die ich längst ausgeflippt wäre, und mit seinem Einsatz, der so einfach nicht selbstverständlich ist.

Ich freue mich jetzt an meinem neuen Wohnzimmerschmuck. Und „1995“ ist auf heavy rotation in meinem Rega, genauso wie die älteren Scheiben von Kruder & Dorfmeister.
PS: Wärmstens ans Herz legen möchte ich Euch übrigens die zwei auch bei G‑Stone erschienen „Private-Collection“-Compilations von Peter Kruder („Master Collection No. 1“, GSCD036, 2009) und Richard Dorfmeister („Master Collection No. 2“, GSCD046, 2011). Längst vergriffen, aufwendig gestaltet und auch nicht offiziell auf Spotify. Falls Ihr die irgendwo sichtet zu einem akzeptablen Preis und in gutem Zustand: Kaufbefehl!
PPS: Falls es jemanden interessiert – der Batman-Pop-Art-Druck ist von Laura Piantoni.