Die Telekom hat angekündigt, auch im Festnetz irgendwann (wohl nicht vor dem Jahr 2016) Volumentarife und Drosselung der Bandbreite bei Überschreiten des Inklusiv-Volumens einzuführen. Und schon heulen sie allerorten auf: Sascha Lobo sieht bei „SPON“ das Internet von der Telekom erdrosselt, Malte Spitz von den Grünen befürchtet bei „ZEIT Online“ das „Ende des Internets, wie wir es kennen“ und Markus Beckedahl warnt für den Digitale Gesellschaft e.V. vor einem Frontalangriff auf die Netzneutralität.
Lobo, Spitz und Beckedahl haben alle in einigen Punkten ihrer Argumentation recht. Alle drei leiden aber meiner Ansicht nach auch unter Begriffsverwirrung, verdrehen oder verschweigen Fakten und haben irgendwie alle nicht genau hingeschaut, was die Telekom da genau geschrieben hat (Vorsicht, Satire). Zum Thema Netzneutralität (hier ein toller Grundlagenartikel dazu aus der „c’t“) und mögliche Verstöße dagegen sagt der Bonner Konzern zum Beispiel klar:
Reguläre Internetdienste werden diskriminierungsfrei nach dem „Best-Effort“-Prinzip behandelt, das bedeutet: so gut es die zur Verfügung stehenden Ressourcen ermöglichen. Das gilt auch für Internetdienste der Telekom.
Außer sie sind gemanaged und werden über reservierte Bandbreiten ausgeliefert wie das Internet-Fernsehen (IPTV) „Entertain“ oder Internettelefonie über den Telekom-Anschluss. Dann gilt:
eigentlich keine Internetdienste, sie laufen nur über das gleiche Netz – zitiere ich außerdem mal aus den „Forderungen für ein lebenswertes Netz“ des Chaos Computer Clubs (CCC):Kein Zugangsanbieter darf nach inhaltlichen Kriterien Einfluß auf die Verfügbarkeit, Priorisierung oder Bandbreite der weitergeleiteten Daten nehmen. Einflußnahme ist generell nur akzeptabel, wenn das dem Kunden gegenüber transparent und Teil der Vertragsbedingungen ist und tatsächlich ein Kapazitätsengpaß besteht, also der Einfluß dazu dient, allen Kunden einen fairen Teil der bestehenden Kapazität zuteil werden zu lassen.
Ein Zugangsanbieter dürfte etwa – wenn das im Vertrag steht – allen Kunden die Bandbreite beschränken, um eine Mindestbandbreite für Telefonie zu reservieren, weil Telefonate sonst gar nicht gingen. Beim Beschränken der Bandbreite dürfte er aber nicht die weiterzuleitenden Daten durchleuchten und etwa nur manche Dienste beschränken.
Bei Entertain steckt die Telekom ohnehin bereits in der Zwickmühle, dass sie einerseits Zugangs- und andererseits Inhalteanbieter ist. Sie sollte nun keinesfalls als neues Geschäftsmodell einen schwunghaften Handel mit Managed Services für weitere zahlende „Partner“ anfangen, so wie sie es mit Spotify im Mobilfunk schon getan hat (die Koop mit Fon im Festnetz lässt man sich vermutlich auch bezahlen). Das Problem läge dabei aber eher im Bereich der Abrechnungs- als der Netzneutralität.
Dass die Telekom nicht einfach nur eine „dumb pipe“ sein und tatenlos zusehen will, wie andere über ihr Netz das dicke Geschäft machen, ist verständlich. Und dass der Ausbau immer schnellerer Breitbandleitungen viel Geld kostet, ist auch klar. Wir Kunden zahlen ja aber auch schon seit Jahren jeden Monat eine Menge Geld an die Telekom. Und sollten nicht künftig für Dinge extra berappen müssen, die bis dato inklusive waren.
Ein Kommentar
Word. Mit dem Keyword Netzneutralität bekommt man halt schnell viel Publikum, insbesondere in Kombination mit der immer für eine Tracht Prügel guten Telekom. Ich will die keinesfalls verteidigen, aber man sollte bei all dem halbwegs sachlich bleiben.
Verspielt haben wir die Netzneutralität schon vor knapp 20 Jahren. Der Verzicht auf eine staatliche Kontrolle der Grundversorgung kann auf kurz oder lang keine andere Konsequenz haben.
Was die Telekom UND ihre Konkurrenten heute machen, ist für mich aber eine ganz andere Baustelle. Die haben sich schlicht verkalkuliert im Konkurrenzkampf um immer schnelleres und billigeres Internet. Ich könnte wetten, dass keiner von denen damit gerechnet hat, dass die Datenmengen derart in die Höhe schnellen – nimm alleine den Erfolg Apples mit dem App Store, iTunes Store und ganz wichtig Mac App Store (Betriebssysteme ausschließlich als Download!). Dazu noch Dropbox, Online-Backups und sicher nicht zu verachten das ganze Filesharing-Zeugs.
Ich vermute mal, da sitzen auch ein paar Entscheidungsträger mit zumindest eingeschränktem Blick in die Zukunft, und die sehen, dass sie dringend etwas machen müssen. Kunden wollen weiter immer schneller bedient sein, die Datenmengen wachsen parallel permanent an, also muss Geld für neue Kapazitäten her – oder/und man lässt sich den Dienst wieder nutzungsabhängig bezahlen.
Wie gesagt, ich will das nicht verteidigen oder gar abfeiern, würde das aber gerne von der sicher wichtigen Diskussion um Netzneutralität getrennt sehen.
So. Wollte da auch was im Blog schreiben, aber das kann ich mir jetzt sparen 🙂