Am Freitag war meine dritte MultiSIM fällig. „Schuld“ daran sind die guten Menschen von Montabaur (ja, die – und nicht Google oder Samsung), die mir ein Päckchen mit einem Nexus S darin geschickt haben. Nach der Einrichtung am ersten Abend, die dank des existierenden Account-Backups vom guten alten Nexus One weitgehend automatisch vonstatten ging, war ich seit Samstag nur noch mit dem Nexus S unterwegs. Und ich kann mich nun noch weniger für nur ein Telefon entscheiden.
Ganz klar ein Luxusproblem*, keine Frage. Ich finde im Augenblick irgendwie nirgends ein ideales Verhältnis zwischen Hardware, Plattform (Betriebssystem) und Ökosystem (Apps). Was die Hardware angeht, ist Apple momentan das Maß der Dinge. Eine Produkt- und Fertigungsqualität wie beim iPhone 4 gibt es sonst höchstens noch bei Topmodellen von Nokia. Die Finnen scheiden für mich aber derzeit wegen der Plattform aus: Symbian geht gar nicht; Meego ist zwar im N9 durchaus gelungen, aber leider eine Totgeburt.
Das iPhone hat auch bei den Apps die Nase vorn. Nicht nur die Masse macht’s, auch die ganzen spannenden Social-Start-ups gehen quasi ausnahmslos zuerst mit einer iPhone-App ins Rennen. Dummerweise kann ich aber iOS zumindest auf dem kleinen Bildschirm einfach nicht mehr sehen. Das wird unter anderem der jahrelangen beruflichen Bloggerei darüber geschuldet sein und der Tatsache, dass Apple über die Jahre optisch herzlich wenig am iOS verändert hat. So genial ich das Ive’sche Hardware-Design finde, so wenig gefällt mir mittlerweile die Anmutung mancher Apple-Software (ein absolutes Greuel sind zum Beispiel die Redesigns von Adressbuch und Kalender in Lion).
Was die Plattform angeht, ist derzeit Windows Phone 7 in der „Mango“-Ausprägung mein Favorit**. Die vergangenen Monate habe ich primär auf WP7 verbracht und war unter anderem auch froh, endlich mal wieder „etwas Besonderes“ zu haben angesichts der ganzen Hackfressen, die mittlerweile auf iPhones rumtatschen. Bei den Apps hinkt Microsoft aber gegenüber sowohl iOS als auch Android arg hinterher. Auch die Hardware macht mich nicht glücklich: Nach ein paar Stunden Nexus S möchte ich das Mozart schlicht nicht mehr anfassen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass Nokia da Abhilfe schaffen kann. Ob das rechtzeitig passiert, um Windows Phone (und Nokia) zu retten, vermag ich allerdings nicht einzuschätzen.
Zurück also zum Nexus S: Ich hatte das Google-Phone schon mehrfach kurz in den Fingern, es jedoch stets als zu leicht und zu plastikmäßig „billig“ abgetan. Seit dem Wochenende finde ich das nicht mehr. Überzeugt hat mich letztlich aber vor allem das wirklich gute Super-LCD-Display des kontinentaleuropäischen Modells GT-I9023. Dieses kann man, so wie auch das Retina-Display des iPhone 4, bei Tageslicht gut und bei Sonnenlicht noch einigermaßen ablesen. Auf dem AMOLED meines alten Nexus One sehe ich bei Sonne rein gar nichts; das Mozart liegt irgendwo dazwischen.
Das konkave Bildschirmglas und die geschwungene Geräterückseite des Nexus S haben den Vorteil, dass man das Gerät erstens klasse in der Hosentasche tragen kann (die Passform birgt allenfalls die Gefahr des Vergessens und Draufsetzens) und es zweitens weder mit der Vorder- noch der Rückseite auf einem Tisch oder dergleichen flächig aufliegt. Ich erspare mir und Euch an dieser Stelle, die Specs herunterzubeten, die kann man schließlich anderswo nachlesen. Auf jeden Fall ist die Hardware allemal schnell genug für ein gepflegtes Nutzererlebnis mit dem aktuellen Android 2.3.4. Dass NFC an Bord ist, interessiert mich persönlich im Augenblick eher weniger; es ist schlicht keine Anwendung dafür in Sicht.
Die Kamera des Nexus S hat mich ebenfalls überzeugt. Sie hat zwar „nur“ fünf Megapixel, liefert aber im Zusammenspiel mit der Gerätesoftware und Android sehr brauchbare Schnappschüsse ab. Die vom iPhone mögen noch einen Tick besser sein. Schlechter sind aber auf alle Fälle die vom Mozart. Dessen Sensor löst zwar acht Megapixel auf, dafür verwackeln die Fotos aber sehr oft, weil die Kamera bei halbem Drücken des Auslösers zunächst scharfstellt und zumindest ich oft zwei- oder drei Mal knipsen muss, bevor ein passables Resultat herauskommt. Sehr zufrieden bin ich außerdem mit der Akkulaufzeit des Nexus S: Am Sonntag habe ich das Ding von 9 bis 21 Uhr durchaus intensiv benutzt (inklusive 30 Minuten Navigation während einer Autofahrt) und hatte abends immer noch 30 Prozent angezeigte Kapazität.
Gar nicht genug betonen kann man die Tatsache, dass die Nexus-Telefone mit Android und nur Android laufen. Das bedeutet, dass Updates sofort zur Verfügung stehen und man nicht warten muss, bis der Gerätehersteller seinen proprietären UI-Aufsatz (Sense, TouchWiz, Motoblur, you name it) entsprechend angepasst hat. Oder eben auch nicht. Oder vielleicht. Außerdem sehe ich bei den diversen Oberflächenüberziehern weder ästhetischen noch Mehrwert aus Nutzersicht. Auf diese Art von „Differenzierung“ vom Mitbewerb kann ich getrost verzichten.
Das Nexus S ist jedenfalls meine neue Smartphone-„Belle-du-Jour“ und der für mich gerade beste Kompromiss aus Gerätehardware, Betriebssystem und Anwendungen. Sowohl ein iPhone 5 als auch ein Nokia 900 oder wie auch immer haben durchaus das Zeug dazu, das wieder zu ändern.
*Disclaimer: An dieser Stelle sollte ich einfach erwähnen, dass ich meine momentan benutzten Telefone allesamt nicht gekauft, sondern als Leih- oder Testgeräte vom Hersteller (oder aktuell eben von 1&1) zur Verfügung gestellt bekommen habe. Meinen Mobilfunkvertrag bezahle ich hingegen aus eigener und privater Tasche.
**Aus Schreibersicht ist es allerdings geradezu tragisch, dass man bei WP7 keine Screenshots auf dem Gerät machen kann.
Ein Kommentar
Das Display des Nexus S hatte mich auch sehr positiv überrascht … Mindestens gleichwertig zum Nexus One. Glaub aber Startups sollten in Zukunft zweimal überlegen, welche mobile Plattform die richtige – d.h. zur Zielgruppe passende – erste Wahl ist. Ich glaube da wird heute oft noch zu subjektiv aus dem Bauch heraus entschieden…