Wikileaks: Warum ich Amazon und PayPal nicht boykottiere

Nach­dem Ama­zon (Web Ser­vices) und Pay­Pal nicht mehr für Wiki­leaks tätig sein wol­len, rufen ver­schie­de­ne mir mehr oder weni­ger gut bekann­te Men­schen jetzt zum Boy­kott der bei­den Anbie­ter auf. Ich kann zwar die Ver­är­ge­rung nach­voll­zie­hen, hal­te sie aber für über­trie­ben emo­tio­nal und, par­don, auch ein wenig naiv. Ich wer­de mich dem Boy­kott ganz bewusst nicht anschlie­ßen. Und das mache ich nicht aus Bequem­lich­keit (ich bin genau­so Prime-Kun­de bei Ama­zon wie Richard und Björn).

Son­dern des­we­gen, weil ich die Ent­schei­dun­gen bei­der Unter­neh­men nach­voll­zie­hen kann. Ver­steht mich nicht falsch – ich hal­te Whist­le­b­lower wie Wiki­leaks für gut und wich­tig. Jedoch agie­ren sie nun mal not­wen­di­ger­wei­se und aus Prin­zip in einer recht­li­chen Grau­zo­ne. Fir­men wie AWS, Pay­Pal oder auch Ever­yDNS konn­ten des­we­gen auch nicht ihre Geschäfts­be­zie­hung zu Wiki­leaks auf­recht­erhal­ten, nach­dem ihnen der Inhalt der zuletzt gele­ak­ten diplo­ma­ti­schen Depe­schen und deren recht­li­che Bri­sanz bekannt wur­de. Genau­so wie zum Bei­spiel You­Tube urhe­ber­recht­lich geschütz­te Inhal­te ent­fernt, wenn die­se vom Copy­right-Inha­ber gemel­det werden.

Ich wer­de daher auch wei­ter­hin bei Ama­zon ein­kau­fen (und zwar wie gehabt bewusst nur par­ti­ell, weil ich mich bemü­he, auch den sta­tio­nä­ren Ein­zel­han­del im Geschäft zu hal­ten) und wei­ter­hin im Netz mit Pay­Pal bezah­len, weil ich da nicht stän­dig mei­ne kom­plet­ten Kre­dit­kar­ten­da­ten durchs Netz schi­cken muss.

Und ich wer­de natür­lich auch wei­ter­hin die Ver­öf­fent­li­chun­gen von Wiki­leaks – Spie­gel-Ser­ver fin­det man übri­gens unter wiki​leaks​.ch/​m​i​r​r​o​r​s​.​h​tml (neu) und wiki​leaks​.info – mit gespann­tem Inter­es­se verfolgen.

Und zu guter Letzt zitie­re ich mal einen Tweet, der mir rich­tig gut gefällt:

Not­hing in the lea­k­ed cables is hur­ting the US repu­ta­ti­on like the US govern­ments reac­tion to the leak. #cable­ga­te

13 Kommentare

Wim Wender 5. Dezember 2010 Antworten

In dei­nem Arti­kel schreibst du :

„Fir­men wie AWS, Pay­Pal oder auch Ever­yDNS konn­ten des­we­gen auch nicht ihre Geschäfts­be­zie­hung zu Wiki­leaks auf­recht erhal­ten, nach­dem ihnen der Inhalt der zuletzt gele­ak­ten diplo­ma­ti­schen Depe­schen und deren recht­li­che Bri­sanz bekannt wurde. “

Um dies noch­mal ganz klar fest­zu­stel­len: Kei­ne der Hand­lun­gen von Wiki­leaks sind ille­gal. Kei­ne Zei­tung kann wegen dem publi­zie­ren von gehei­men Infor­ma­tio­nen ver­klagt wer­den. Dies ist weder in Deutsch­land noch in USA ille­gal. Es gibt kei­ne Geset­ze die dies verbieten. 

Das Ver­bot aller­dings Infor­ma­tio­nen zu ver­öf­fent­li­chen ist ille­gal. Der Ver­such Infor­ma­tio­nen zurück­zu­hal­ten wird im all­ge­mei­nen auch als Zen­sur bezeich­net. Inso­fern ist der Ver­such der US Regie­rung über Pay­pal oder Ama­zon die Ver­öf­fent­li­chung von Infor­ma­tio­nen zu ver­hin­dern ein ele­gan­ter Weg Zen­sur unge­straft aus­zu­üben, indem Pri­vat­un­ter­neh­men vor den Kar­ren gespannt wer­den wo der Staat nicht vor­ge­hen darf! Sonst hät­te die US Regie­rung Ama­zon ja ein­fach das Hos­ting per Ver­fü­gung oder Gerichts­be­schluss unter­sa­gen kön­nen. Genau das geht aber nicht. 

Nils Hitze 5. Dezember 2010 Antworten

Ich bin da wirk­lich zwie­späl­tig und kann Ama­zon genau wie Pay­pal ver­ste­hen denn wäre es zu recht­li­chen Schrit­ten gegen Paypal/Amazon sei­tens der US Regie­rung gekom­men, mit­ten im Weih­nachts­ge­schäft, wäre das wahr­schein­lich noch kata­stro­pha­ler aus­ge­fal­len als wenn man „nur ein paar Spin­ner + Freun­de“ gegen sich auf­ge­bracht hät­te. Den Groß­teil der Online­käu­fer inter­es­siert Wiki­leaks nun­mal n Scheiss. Mora­lisch betrach­tet reden wir hier von einem ganz ande­ren Deba­kel kata­stro­pha­len Aus­ma­ßes und dafür gehö­ren Ama­zon und Ebay im „Land of the Free“ an die Wand gena­gelt. Just my 2 Cents 

Kerstin 5. Dezember 2010 Antworten

Bis vor ein paar Tagen war alles in Ord­nung. Wiki­leaks hat Doku­men­te ver­öf­fent­licht und es hat ein wenig an den zem­tier­ten Pfos­ten gewa­ckelt. Das jetzt aber die gan­ze Welt plötz­lich um jeden Preis Wiki­leaks mund­tot machen will, das hat mich dann auf­ge­rüt­telt. Es kann nicht sein, dass jemand des­we­gen gejagt wird, weil er unge­schönt und unkom­men­tiert die Wahr­heit ver­öf­fent­licht. So klein mei­ne Kon­se­quenz auch sein mag, ich habe mein ama­zon und pay­pal account gekün­digt, nach­dem ich noch schnell der Wau-Hol­land Stif­tung gespen­det habe (bevor der account geschlos­sen wurde) 

Christian Pohle 6. Dezember 2010 Antworten

Ich stim­me Dir zu. Jetzt sein Kon­to bei Ama­zon oder Pay­Pal zu kün­di­gen, macht kei­nen Sinn. Sicher­lich sind die Hand­lun­gen von Wiki­leaks nicht ille­gal, ich kann mir aber gut vor­stel­len, daß auf Ama­zon und Pay­pal erheb­li­cher Druck sei­tens der Regie­rung der USA aus­ge­übt wur­de und bei­de kei­nes­wegs frei­wil­lig Wiki­leaks raus­ge­wor­fen haben. Ich wür­de auf unse­ren Ser­vern ger­ne Platz und Per­for­mance für Wiki­leaks bereit­stel­len, befürch­te aber durch­aus frü­her oder spä­ter Sank­tio­nen aus staat­li­cher Ecke und so belas­se ichs bei mei­ner Spen­de. Sor­ry, aber mein klei­nes Unter­neh­men ist zu schwach, um einen Kampf durch­zu­hal­ten, den sogar Ama­zon oder Pay­Pal ver­lo­ren haben. 

bernhard 7. Dezember 2010 Antworten

Wenn Du die Tätig­keit von Wiki­lie­aks für ille­gal hältst, dann musst Du die gesam­te freie Pres­se für ille­gal erklären. 

Beim nächs­ten mal bit­te erst nach­den­ken, dann recher­chie­ren, dann wie­der nach­den­ken. Und dann was schrei­ben, wenn es immer noch not­wen­dig scheint. 

teezeh 8. Dezember 2010 Antworten

Ich habe nichts von ille­gal geschrieben. 

Frederick P. 7. Dezember 2010 Antworten

„und deren recht­li­che Bri­sanz“??? Das heißt, Pay­pal, AWS und Ever­yDNS been­den nun auch ihre geschäft­li­chen Bezie­hun­gen mit dem Spie­gel, El Pais, Le Mon­de, Guar­di­an und NY Times. 

Du bleibst aus Faul­heit bei Ama­zon und Pay­pal, das ist alles. 

teezeh 8. Dezember 2010 Antworten

Ich glau­be nicht, dass Du Dir ein Urteil dar­über anma­ßen kannst, war­um ich mich gegen einen Boy­kott entscheide. 

Und zum The­ma der recht­li­chen Bri­sanz (ich sprach wie gesagt nicht von ille­gal) emp­feh­le ich mal fol­gen­de Abhand­lun­ga zur Lektüre… 

Harald Winzerl 7. Dezember 2010 Antworten

@Christian Poh­le:

Jetzt bei Ama­zon und Pay­Pal kün­di­gen, macht Sinn. Woher weisst Du, dass da Druck aus­ge­übt wur­de? Das ist doch bloss eine Ver­mu­tung. Solan­ge das Ama­zon und Co. nicht weh tut, glau­be ich eher an vor­aus­ei­len­den Gehor­sam. Und der muss weh tun. 

Und dass Du nicht unter­stützt, weil Du „zu klein bist“, ist genau die­sel­be Feig­heit. Wenn alle hel­fen, kann kein Druck mehr aus­ge­übt wer­den. Trau Dich. Ande­re trau­en sich doch auch:
http://​wiki​leaks​.ch/​m​i​r​r​o​r​s​.​h​tml

Frag halt vor­her einen Anwalt, das kos­tet ein paar Euro, und Du fühlst Dich besser. 

Jetzt ist die Zeit zum Han­deln gekom­men, aber wenn wir zu lan­ge war­ten, ist die Zeit auch wie­der vorbei. 

teezeh 8. Dezember 2010 Antworten

Wo fin­de ich denn Eure Wikileaks-Mirrors? 

Christian Pohle 20. Dezember 2010 Antworten

@Harald Win­zerl

Machst Du es Dir a nicht zu leicht? Bewei­se bit­te, daß ich blos fei­ge bin: a) Zei­ge mir, wo Du die Wiki­lie­aks Mir­rors hos­test und ich wer­de dort auch Spei­cher­platz erwe­ben. b) Tei­le mir Dei­nen Anwalt mit, der Dich in die­se Fra­ge mit der nöti­gen Rechts­si­cher­heit bera­ten hat und ich wer­de ger­ne die „paar Euros“ bei ihm inves­tie­ren. c) Nen­ne mir den Hos­ter, zu dem ich mei­ne EC2 Maschi­nen ein­fach umzie­hen. kann und ich wer­de es tun. 

R@Z€ 8. Dezember 2010 Antworten

„Es ist klar, dass Wiki­leaks nicht über die Rech­te an den ver­trau­li­chen Doku­men­ten verfügt“ 

Ein schein­hei­li­ge Aus­re­de, denn bei objek­ti­ver Betrach­tung hät­te Ama­zon bereits seit lan­gem Wiki­Leaks von den Ser­vern wegen „feh­len­der Rech­te“ ver­ja­gen müssen: 

-2007 Kor­rup­ti­on in der Fami­lie des ehe­ma­li­gen kenia­ni­schen Prä­si­den­ten Dani­el arap Moi. 

-2008 Rechts­strei­tig­kei­ten mit der Scientology-Kirche. 

-2009 toxi­sche Abfäl­le in der Elfen­bein­küs­te, das gehei­me Abkom­men zwi­schen der Euro­päi­schen Uni­on und den USA zur Aus­wer­tung und Wei­ter­ga­be euro­päi­scher Bank­da­ten an die USA, Aus­zü­ge aus den gehei­men Toll-Coll­ect-Ver­trä­gen und der Feld­jä­ger-Report zur umstrit­te­nen Bom­bar­die­rung zwei­er Tank­las­ter in Afghanistan. 

-2010 PR-Stra­te­gien der ame­ri­ka­ni­schen Geheim­diens­te in Deutsch­land und Frank­reich, Pla­nungs­do­ku­men­te zur Love­pa­ra­de 2010, Video zu den Luft­an­grif­fen in Bag­dad vom 12. Juli 2007 und die Publi­ka­ti­on der Afghan War Dia­rys und den Iraq War Logs 

Nur ein wei­te­rer Zesur­ver­such des Internets! 

R@Z€

teezeh 8. Dezember 2010 Antworten

Wiki­leaks war erst seit ein paar Tagen bei AWS, um DDoS-Atta­cken auf sei­ne Ser­ver abzuwehren. 

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