Der für gewöhnlich gut unterrichtete Stefan Krempl berichtet bei „heise online“, dass das BMJ einen neuen entschärften Referentenentwurf zum Leistungssschutzrecht für Presseverleger (@sixtus hat das PDF) vorgelegt hat. Dieser beschränke sich nunmehr auf die Nutzung durch Suchmaschinen.
Es ist zwar schön, dass Blogger, Freiberufler und interne Firmenkommunikation nun aus dem Geltungsbereich des geplanten Gesetzes herausfallen. Jedoch wird die Grundidee des klientelpolitischen Leistungsschutzrechts damit nicht logischer, das aufgrund von Lobbyarbeit von Christoph Keese und Konsorten im schwarz-gelben Koalitionsvertrag gelandet ist.
[Wobei ich mich schon frage, wie das hier jetzt gemeint ist:]
@indiskretion Falls Entwurf #LSR wirklich wie von Heise berichtet, ist er unakzeptabel. Anwendung nur auf Suchmaschinen geht gar nicht.
— Christoph Keese (@ChristophKeese) Juli 27, 2012
Ich selbst sitze als seit nunmehr gut 16 Jahren festangestellter Journalist im sprichwörtlichen Glashaus, möchte aber trotzdem mit den ebenso sprichwörtlichen Steinen werfen: Erstens ist Google gut für Presseverleger, und zweitens muss sowieso niemand seine Inhalte von Google erfassen lassen – Stichwort robots.txt. Das LSR ist damit meiner Ansicht nach gleich doppelter Unfug.
Presseverleger betreiben im Netz schließlich längst einen enormen technischen und finanziellen Aufwand für Suchmaschinenoptimierung (SEO), damit ihre vermeintlich hochwertigen und qualitätsjournalistischen Inhalte von Google und anderen Suchmaschinen gefunden werden. Und beweisen damit selbst, wie wichtig ihnen der von den Suchmaschinen an sie übergebene Traffic ist.
Im Gegensatz zu Google haben die meisten Presseverleger aber noch keine wirklich überzeugenden Geschäftsmodelle für das Internet gefunden. Keine jedenfalls, mit denen sich die aus der glorreichen Vergangenheit gewohnten Margen zurückholen und die historisch gewachsenen Kostenstrukturen retten ließen. In der Folge wird seit Jahren nicht zuletzt in den Redaktionen gespart und gestrichen – was die zu schützenden Leistungen jetzt nicht gerade verbessert; ein durchaus fataler Teufelskreis.
Sich nun aber bei zugegeben wirtschaftlich florierenden Suchmaschinen wie Google schadlos halten zu wollen, kann nicht die Lösung sein. Denn die bringen den Verlagen schließlich vor allem mehr Leser für ihre Inhalte und Werbeanzeigen (die, anders als in „guten alten“ Print-Zeiten oft längst nicht mehr so sauber voneinander getrennt sind wie der Pressekodex das eigentlich vorschreibt) und stützen damit das einzig halbwegs funktionierende Geschäftsmodell für „Presseerzeugnisse“ im Netz.
Ich kenne persönlich niemanden und kann mir auch überhaupt niemanden vorstellen, der seinen Informationsbedarf über Textschnipsel („Snippets“) auf Suchmaschinen-Ergebnisseiten decken würde oder könnte. Gleiches gilt auch für den immer wieder ins Feld geführten Aggregator Google News. Der wird nach meiner Erfahrung sowieso primär von Medien-Insidern zur Befriedigung persönlicher Eitelkeiten genutzt und ist noch dazu werbefrei (!).
Ich bin jedenfalls einfach nur froh, dass es Google und alternative Suchmaschinen gibt, weil meine Texte damit von mehr Menschen gelesen werden. So einfach ist das letztlich. Und ich hoffe, dass meinem Arbeitgeber und anderen „Medienhäusern“ oder wie sich Verlage heute auch immer notgedrungen selbst bezeichnen, noch nachhaltigere Geschäftsmodelle für das Netz einfallen als „Tchiboisierung“.
Denn dass Menschen inzwischen für digitale Inhalte wieder durchaus zu zahlen bereit sind, sieht man an iTunes und Co. Das setzt allerdings voraus, dass diese digitalen Inhalte den Menschen auch etwas wert sind. Was zum Beispiel für unexklusive Agenturmeldungen schwerlich gelten dürfte. Und es setzt voraus, dass das Bezahlen einfach ist. Warum nur gibt es noch immer kein weit verbreitetes Micropayment-Verfahren mit so geringen Transaktionskosten, dass man damit sagen wir mal einen Text im Internet für den Preis einer SMS (19 Cent) anbieten kann?
Langer Rede kurzer Sinn: Im Netz leben wir in einer Link-Ökonomie. Und was wir deswegen als wirklich Letztes brauchen, ist ein Leistungsschutzrecht, dass diese unterminiert.
Update 31. Juli: Inzwischen haben sich auch die Verlegerverbände BDZV und VDZ zu dem neuen Referentenentwurf geäußert. Der gefällt ihnen angeblich mit dem alleinigen Fokus auf Suchmaschinen auch nicht.
„Das wäre ein Freifahrtschein für die Aggregatoren, die schon jetzt die Verlags-Internetseiten absaugen, um damit Geld zu verdienen“
heißt es von den beiden Verbänden unisono – was dann auch den oben eingebetteten Keese-Tweet „erklärt“. Wen genau BDZV und VDZ mit „die Aggregatoren“ (die Geld verdienen) meinen, ist mir aber nicht klar. Google News? Ist werbefrei (wie gesagt). General-Interest-Portale wie T‑Online.de und MSN? Da syndizieren die Verleger ihre Inhalte doch selbst hin für kleines Geld und in der Hoffnung auf mehr Reichweite und Stärkung ihrer Marken.
Zur weiterführenden Lektüre empfehle ich übrigens die Webseite der Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) für Presseverlage:
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