Diesen Blogeintrag kann man nicht ausdrucken. Er wurde nämlich absichtlich in der Seitenbeschreibungssprache WWFJVML verfasst. Das ist ein neuer Standard, den der World Wildlife Fund (WWF) und die Werbeagentur Jung von Matt entwickelt haben, damit nicht mehr so viele Blätter unnötig bedruckt werden und deswegen ebenso unnötig zu viele von unseren Freunden, den Bäumen, sterben müssen. Das ist eine großartige Idee!
Nein, das ist keine großartige Idee. Das ist eine hehre Schnapsidee. Um nicht zu sagen eine bescheuerte Idee. Genauso wie diese hier – und die habe ich mir nicht ausgedacht, sondern in Form einer Einladung zur einer Pressekonferenz am kommenden Dienstag in Hamburg in meiner Inbox vorgefunden:
Liebe Journalisten, Redaktionsteams und Kollegen,
unter dem Motto SAVE AS WWF – SAVE A TREE haben der WWF Deutschland und die Werbeagentur Jung von Matt gemeinsam das weltweit erste grüne Dateiformat entwickelt – das .WWF ein .PDF, das sich nicht mehr drucken lässt.
Liebe JvM-Werbefuzzis, liebe WWF-Umweltbewegte, das ist wirklich das Dümmste, was ich seit langem gelesen habe. Glaubt Ihr wirklich, die Welt hat auf noch ein Dateiformat gewartet? Noch dazu ein Gängelformat, das dem Empfänger vorschreibt, was er zu tun oder zu lassen hat? Nein, sage ich Euch. Mit Adobe Acrobat und auch mit alternativen, teils sogar frei verfügbaren Open-Source-Programmen kann man längst festlegen, dass ein PDF nicht gedruckt werden soll.
Es ist ja außerdem nicht so, dass wir alle Papier bedrucken, weil uns das so mächtig viel Spaß macht. Das tun wir vor allem deswegen, weil man längere Texte einfach nicht am Bildschirm rezipieren kann. Daran wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern.
Ihr habt natürlich trotzdem Recht damit, dass zu viel gedruckt wird. Aber um daran etwas zu ändern, müsst Ihr das Problem bewusst machen. Doch Bewusstsein ändert man nicht mit Dateiformaten.
Ich hätte ein paar Vorschläge, die sich erheblich einfacher realisieren lassen:
- Blätter, die man auf der einen Seite bedruckt hat und nicht mehr benötigt, auch noch auf der anderen Seite bedrucken
- Wo möglich, weniger zentrale Drucker aufstellen, zu denen die Leute ein paar Meter und idealerweise auch noch Treppen laufen müssen
- Moderne Treiber und Druckerverwaltungs-Software einsetzen, die jeden Druckjob einer Kostenstelle zuweisen
- Die Druckvorschau von Browsern und anderen Programmen nutzen, um überflüssige, zum Beispiel größtenteils leere (oder nur mit sinnfreien Boilerplates gefüllte) Seiten zu erkennen und diese nicht mitzudrucken
- Bei Dokumenten mit hinreichend großer Schrift zwei Seiten verkleinert auf ein Blatt ausgeben
- Farbdruck grundsätzlich sperren und nur in Sonderfällen für Leute genehmigen, die das wirklich brauchen (die meisten Businesskasper-Foliensatzentwürfe sind auch in Graustufen leserlich)
- Kollegen, die gerade wieder 500-seitige Studien aus dem Drucker lassen, fragen, ob sie das wirklich alles lesen wollen
- Und so weiter und so fort…
Weitere kreative und sinnvolle Ideen sind in den Kommentaren allzeit herzlich willkommen.
Und wir schreiben jetzt alle schnell noch tausend Mal: Erst denken, dann drucken!
P.S.: Und wenn wir schon beim Thema Drucken und Unsinn sind – unsinnig sind auch E‑Mail-Abbinder wie dieser hier:
Warum? Weil sie immer ganz unten in der Mail stehen, wo man sie erst dann liest, wenn man sie ausgedruckt hat. Wenn überhaupt.
P.P.S.: Und nachdem ich eben das erste WWF gesichtet habe – natürlich kann man das ausdrucken. Und zwar ganz einfach mit GhostView.
10 Kommentare
Hi,
vielleicht sollte die Dateiendung besser .wtf lauten. 🙂
Komisch finde ich den E‑Mail-Abbinder. Der ist inhaltlich unnötig und – wenn man schon Haar auf den Zähnen hat – sorgt der für unnötigen CO2-Ausstoß, weil unnötigen Kilobytes durch Netz getrieben werden.
Hallo TC, finde deinen Kommentar auf diese WWF-Einladung super! Und bin auf einem ganz wirren Weg zu ihr gelangt…über meine Google Alerts mit Stichwort JVM. Wo man dann landet…
LG von Melli 1999–2002
Hey Melli – ein Google-Alert auf JvM? Sofort löschen 😉
„…weil man längere Texte einfach nicht am Bildschirm einfach nicht rezipieren kann“?! Echt?!
Da mag’s durchaus noch etliche (zumeist auch ältere) Männer und natürlich auch Frauen geben, die das Haptische von Buchrücken oder Papiergeraschel nicht missen möchten, aber gegenüber den Möglichkeiten, die ein rechnergestütztes „Rezipieren von Texten“ so bietet (bis hinab zum Font-Vergrößern, so dass es sogar vom Sofa aus möglich), ist auch die Spezies der Ausdrucker früher oder später wohl zum Zurückbleiben, wenn nicht gar Aussterben verurteilt,
meint
Achim
Und jetzt erklär das ganze doch mal bitte im Büro meiner Eltern, in dem man noch nicht mal von Acrobat gehört hat oder wüsste, wie man nutzlose Seiten aus dem Browser nicht mitdruckt. Dann installier ich denen auch keinen neuen Druckertreiber.
Gefällt mir! 😉
Dieses Dateiformat ist wikrlich nutzlos.
Screenshots können immer ausgedruckt werden.
Es wird keine Methode genannt, wie Linux-Benutzer WWF nutzen können.
Ich praktiziere schon seit 20 Jahren „paperless office“ und drucke nur die Seiten, die ich – beispielsweise aufgrund gesetzlicher Pflichten – unvermeidbar drucken muss. WWF habe ich dafür noch nie gebraucht und würde WWF auch in Zukunft niemals nutzen, weil es keinerlei Vorteile gegenüber anderen Dateiformaten hat, dafür aber neue Zukunftsunsicherheiten, Inkompatibilitäten und Zwänge einführt.
Ich bin entsetzt, dass das WWF diesen Unfug mitmacht und werde jedem, der versucht mir ein solches Dokument anzudrehen gewaltig den Kopf waschen.
Ich halte dieses Dateiformat für dumm, falsch und irreführend.
Ehm… Ihr habt schon verstanden, dass das ne Goldidee ist und nicht WIRKLICH nützlich sein soll?
Ich weiss nicht was daran nützlich sein soll.