Ich schätze die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sehr. Sie hat schon viele vernünftige Dinge auf den Weg gebracht. Nun aber haben sie und die EU-Kommission Microsoft dazu gezwungen, Internet-Nutzern in Europa mehr Auswahlmöglichkeiten bei Webbrowsern zu geben.
So what? Wer sich für Browser interessiert, der konnte sich immer schon einen anderes Programm installieren als den Internet Explorer. Viele haben das ja auch getan; Deutschland zum Beispiel ist längst Firefox-Land. Wer sich in den letzten Jahren einen Mac gekauft hat, der surft zumeist mit Safari durchs WWW. Opera hingegen, auf dessen Beschwerde die Brüsseler Kartellermittlung zurückgeht, fokussiert sich primär auf Märkte abseits des Desktops.
Die eigentlichen Browser-Sünden von Microsoft liegen in der Vergangenheit – vor allem im Internet Explorer 6, im Jahr 2001 eingeführt mit Windows XP. Diese Version des IE unterstützte offizielle Web-Standards des W3C nur sehr unzureichend und stattdessen proprietäre Microsoft-Techniken wie ActiveX, von Scott McNealy vollkommen zurecht als „CaptiveX“ geschmäht. In vielen Firmennetzen laufen noch jede Menge Anwendungen, die solche Microsoft-Techniken nutzen. Deswegen, und auch weil so viele Unternehmen noch immer mit XP arbeiten, will dieser elende IE6 einfach nicht sterben.
Dass Microsoft PC-Nutzern in Europa nun künftig die Qual der Wahl zwischen zwölf verschiedenen Browsern ermöglichen soll (so viele fallen nicht nur mir auf Anhieb gar nicht ein, jedenfalls nicht für Windows), wird an dieser Problematik leider nichts, aber auch gar nichts ändern. Und User, die bisher schon zu unbedarft waren, sich einen alternativen Browser auf den Rechner zu spielen, wird der Microsoft von der EU verordnete „Ballot Screen“ eher verwirren.
Zu hoffen ist wenigstens, dass dämliche Portale wie MSN und T‑Online endlich auf realistische Nutzerzahlen zurückfallen – meiner Verschwörungstheorie nach sind beide Angebote nur deshalb so „populär“, weil noch immer zu viele PC-Laien im Netz unterwegs sind, die einfach nicht wissen, wie man im Internet Explorer (beziehungsweise der darauf basierenden Software von T‑Online) die Startseite ändert.
Microsoft jedenfalls hat spätestens mit dem IE8 offensichtlich erkannt, dass sich ein Browser bitteschön an offene Web-Standards halten sollte. Deswegen darf meinetwegen auch jeder gern mit der aktuellen Version des Internet Explorers durchs Netz surfen. Microsoft verdient daran nichts und hat auch sonst keine nennenswerten Vorteile davon. Ich für meinen Teil nehme lieber Chrome (auf dem PC im Büro) oder Safari (auf dem Mac daheim), weil beide auf modernen JavaScript-lastigen Seiten deutlich schneller sind.
Kurz: Wenn es nach mir geht, soll jeder nach seiner Browser-Facon selig werden. So lange sich der Browser an Standards hält, und das tut wie gesagt inzwischen sogar der IE. Die Ermittlung der Kommission aber kommt wie im Kartellrechtsbereich so oft Jahre zu spät und geht vollkommen an der Realität vorbei. Das war mit der früheren Untersuchung in Sachen Windows Media Player schon genauso. Das „Windows N“, das uns die EU seinerzeit erstritten hat, hat ja wirklich keine Sau interessiert.
Was wir heute wirklich brauchen, ist nicht eine Auswahlseite mit zwölf verschiedenen Browsern für Windows. Sondern eine Legislative, Judikative und Exekutive, die mit der Geschwindigkeit der Entwicklung des Internets und der IT-Branche mithalten können. Und die sind leider nirgends in Sicht.
1 Kommentar
KommentierenAlso ich finde es ehrlich gesagt garnicht so schlecht, dass man mittlerweile zwischen 12 verschiedenen Browsern wählen darf. Immerhin wird somit eine Chancengleicheit für die verschiedenen Browseranbieter sichergestellt. 90% meiner Bekannten sind vor geraumer Zeit bereits zu Firefox gewechselt, doch es gibt noch genügend Leute die nicht wissen, dass man sich einen anderen Browser einfach installieren kann. Besonders diese unwissendere Schich bekommt dadurch mehr Wahlfreiheit und das ist gut!